Wenn wir eine neue Vorstellung begreifen wollen, müssen wir in der Lage sein, sie mit etwas, das wir kennen, in Verbindung zu setzen. Daher finden wir, dass unser Begriffsvermögen beschränkt ist, wenn ein guter Bezugsrahmen fehlt.
Wir mögen außerordentliche Äußerungen von aufopfernder Liebe bei Menschen gesehen und erfahren haben. Doch im Vergleich zu derjenigen des Allerhöchsten und seines geliebten Sohnes verblassen selbst die bemerkenswertesten Beispiele solcher Liebe.
Der Apostel Paulus wollte sehr, dass Mitgläubige die Größe der Liebe Christi und auch die seines Vaters begriffen. Und doch erkannte der Apostel, dass diese Liebe in all ihrer Fülle einfach nicht verstanden werden konnte. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, zu beten, dass Mitgläubige in dem Maße, wie es möglich ist, die Breite, Länge, Höhe und tiefe der Liebe Christi begriffen, eine Liebe, die „alle Erkenntnis übersteigt“ (Epheser 3:18, 19).
Wir können nicht völlig ermessen, was der Sohn Gottes freiwillig aufgab, um Mensch auf Erden zu werden und dann unter Menschen zu leben, die mit seltenen Ausnahmen seine Güte und sein Mitgefühl verschmähten. Wiederholt wurde er in hasserfüllter Weise mit dem Teufel in eine Ecke gestellt. Schließlich erreichten die starke Feindseligkeit und der Neid der einflussreichsten und mächtigsten Männer in seinem eigenen Volk den Höhepunkt, als sie den römischen Statthalter Pontius Pilatus dazu bewogen, ihn in grausamer und schändlicher Weise hinrichten zu lassen. Wegen seiner Liebe zur Menschheit nahm der Sohn Gottes bereitwillig einen Weg auf sich, von dem er wusste, dass er äußerst schmerzlich wäre und in einem entsetzlichen Tod enden würde. Dennoch fand er Freude daran, das zu tun, von dem er wusste, dass es der Wille seines Vaters war, womit er allen Angehörigen des Menschengeschlechtes die Möglichkeit eröffnete, seine lieben Brüder und die geliebten Kinder seines Vaters zu werden. Diese unübertreffliche Beziehung könnte ihnen gehören, wenn sie glaubensvoll seinen Opfertod als Mittel für die Vergebung ihrer Sünden annehmen würden (Hebräer 2:10-18).
In dem, was Christus für uns als Einzelne getan hat, können wir auch die Größe der Liebe seines Vaters sehen, denn Er war es, der seinen Sohn gab (Johannes 3:16). Wenn sich unsere persönlichen Verhältnisse ändern, mag das dazu führen, dass sich sogar nahe Verwandte oder Freunde von uns distanzieren, aber unser himmlischer Vater wird niemals seine Liebe von jemandem zurückziehen, der glaubensvoll das Opfer seines Sohnes angenommen hat und es als kostbar und völlig unverdient ansieht. Der Apostel Paulus schrieb: „Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn“ (Römer 8:38, 39, Luther).
Dies ist in der Tat die beständige Liebe eines fürsorglichen Vaters, eine Liebe, die in einer höchst wunderbaren Weise durch seinen Sohn offenbart wurde. Demgemäß werden selbst die liebevollsten und mitfühlendsten Menschen in unserem Leben uns mehr lieben als unser himmlischer Vater und sein Sohn. Nachdem eine junge Mutter die Liebe Gottes zur ihr mehr wertschätzen lernte, fühlte sie sich bewegt zu sagen: „Ich weiß jetzt, dass ich einen himmlischen Vater habe, der mich mehr liebt als mein eigener Vater, und mehr, als ich meinen eigenen Sohn liebe.“ Obwohl die Schrift offenbart, dass Gott Liebe ist (1. Johannes 4:8), was zeigt, dass die Liebe in allem zusammengefasst ist, was ihn ausmacht, neigen viele, die sich als seine Kinder bekennen, dazu, diese Liebe zu begrenzen. Andere finden es schwierig, Äußerungen seines Zorns mit seiner Liebe in Einklang zu bringen.
Da Gott Liebe ist, gibt es nie eine Zeit, wo er aufhört, ein liebevoller, mitfühlender himmlischer Vater zu sein. Gottes Sohn sagte, als er darauf hinwies, wie ein Schäfer ein verirrtes Schaf sucht: „So ist’s auch nicht der Wille bei eurem Vater im Himmel, dass auch nur eines von diesen Kleinen verloren werde“ (Matthäus 18:14, Luther).
Der Apostel Paulus wies darauf hin, dass Gottes Zorn sich in erster Linie darin ausdrückt, dass er Menschen schmerzhafte Erfahrungen machen lässt, wenn sie entgegen der Stimme ihres Gewissens handeln, wobei das Ziel ist, dass sie bewegt werden mögen, ihre Wege zu ändern (Römer 1:18-2:11). Die Plagen, die im Buch Offenbarung erwähnt werden, müssen wahrscheinlich in demselben Licht betrachtet werden. Diese Plagen kann man so verstehen, dass Gott die Menschheit den bitteren Folgen ihres Trotzes und ihres Hasses gegenüber seinen erhabenen Wegen überlässt. Das Ziel im Blickwinkel ist jedoch nicht, die Menschen die Vergeltung für ihre Taten spüren zu lassen, sondern sie zur Reue zu führen. Dies wird durch die Tatsache bekräftigt, dass der inspirierte Bericht mit Bezug auf die, die die erste Reihe von Plagen überleben, sagt: „Aber die übrigen der Menschen, die durch diese Plagen nicht getötet wurden, bereuten die Werke ihrer Hände nicht, so dass sie die Dämonen nicht [mehr] angebetet hätten sowie die Götzen aus Gold und Silber und Kupfer und Stein und Holz, die weder sehen noch hören, noch gehen können; und sie bereuten ihre Mordtaten nicht noch ihre spiritistischen Bräuche, noch ihre Hurerei, noch ihre Diebstähle“ (Offenbarung 9:20, 21, NWÜ). Dass ihre Weigerung, sich zu ändern, erwähnt wird, zeigt, dass sie sich hätten ändern können, sich aber lieber verhärteten und weiter ihren hasserfüllten, Gott entehrenden Weg gingen. Selbst die abschließende Äußerung göttlichen Zorns (offensichtlich dargestellt durch die Leerung von sieben Schalen auf die Erde) schließt nicht die Möglichkeit einer Reue aus (Offenbarung 15:1; 16:1).
Unmittelbar vor dem Leeren der Schalen göttlichen Zorns werden die Eroberer oder Sieger, weil sie dem enormen Druck, Anbeter des wilden Tieres und seines Bildes zu werden, widerstanden haben, so dargestellt, dass sie neben dem Thron Gottes stehen (Offenbarung 15:2; vergleiche 4:2-6). Dies legt nahe, dass alle echten Christen ihr himmlisches Erbe erlangt haben. Dann wird ihr Einfluss auf die Menschen auf der Erde zum Guten vergangen sein. Wenn daher der Almmächtige als Ausdruck seines Zornes die Menschheit völlig den bitteren Folgen ihres Handelns gegen die Stimme ihres Gewissens überlässt, dann werden sie in ungemilderter Weise die Früchte ihres Laufs ernten. Doch angesichts des göttlichen Gerichts, das vor uns liegt, erklingt das Lied derer, die den Sieg errungen, mit einem Refrain der Hoffnung: „Groß und wunderbar sind deine Werke, Jehova Gott, du Allmächtiger. Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, König der Ewigkeit. Wer wird dich nicht wirklich fürchten, Jehova, und deinen Namen verherrlichen, denn du allein bist loyal? Denn alle Nationen werden kommen und vor dir anbeten, weil deine gerechten Verordnungen offenbar gemacht worden sind“ (Offenbarung 15:3, 4, NWÜ). Welch großartiges Zeugnis dies für Gottes Liebe ist! Selbst in der Abschlusszeit des Gerichts bleibt die Tür zur Reue für Menschen aus allen Nationen offen. Die Erwartung der Sänger ist, dass viele aufgrund des gerechten Gerichts zu einer Ehrfurcht vor Gott kommen und ihn anbeten werden. Dieses Lied muss sich als Teil des prophetischen Wortes erfüllen.
So sind Gottes Liebe und Mitgefühl selbst dann nicht verborgen, wenn er seinen Zorn äußert. Niemand wird die Freuden und die Segnungen verlieren, die der himmlische Vater der Menschheit schenken möchte, es sei denn, er tritt vorsätzlich und trotzig auf seiner Liebe herum. Die Fülle seiner Liebe übertrifft zwar unser Vorstellungsvermögen, aber wir können völlig zuversichtlich sein, dass er niemanden verlassen wird, der sein Kind sein möchte und voller Wertschätzung annimmt, was er durch seinen geliebten Sohn getan hat.